Alte Bäckerei: Aus einer Vision entsteht ein Ökotop
Die Alte Bäckerei hat eine Vision: Auf einem bis anhin verpachteten und intensiv genutzten Stück Weideland soll ein kleines Oekotop entstehen. Der Bolsternbach könnte zu einer artenvielfältigen Feuchtzone und der vergrösserte Obstgarten liefert sorgfältig produzierte Nahrungsmittel in einer Menge, die über den Bedarf des Hausvereins hinausgeht. Der Innovationsfonds der Gesewo unterstützt dieses Unterfangen.
Die Alte Bäckerei liegt am Rand von Waltenstein, einem Dorfteil des Gemeinde Schlatt und wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Schon immer gehörte der Obstgarten zum Haus. Mal war er grösser, mal war er kleiner, zwischendurch umfasste mehr Mostobst, dann wieder mehr Tafelobst, auch Stein- und Kernobst hielten sich nicht immer die Waage, mal war er gepflegter oder schlummerte etwas verwildert vor sich hin.
An seinem unterschiedlichen Erscheinungsbild, seiner Grösse oder der Anzahl der Bäume konnte man die jeweilige Bedeutung des Obstgartens für die Bewohnerinnen und Bewohner der Alten Bäckerei ablesen. Es liess sich auch feststellen, welche allgemeine Bedeutung eine Streuobstwiese innerhalb der Nahrungsmittelproduktion einer bestimmten Zeit zukommt.
Und nun soll dieser Obstgarten also wieder grösser werden. Dies hat der Hausverein der Alten Bäckerei beschlossen.
Chance dank auslaufendem Pachtvertrag
Als die Gesewo 2016 die Alte Bäckerei kaufte und wir einzogen, übernahmen wir ein Pachtverhältnis, welches die Vorbesitzer/innen mit den direkten Nachbarinnen und Nachbarn eingegangen waren. Die Pacht umfasst eine Fläche von 9180 m2 Weideland und war frühestens auf den Januar 2021 kündbar. Das Weideland liegt angrenzend an den jetzigen Obst- und Gemüsegarten und wird in südlicher Richtung von einem kleinen Gewässer begrenzt.
Wir kannten bei Einzug also die Möglichkeiten und Bedingungen des Grundstückes der Alten Bäckerei. Gleichzeitig konnten wir uns fünf Jahre Zeit lassen, diesbezüglich zu einer Entscheidung zu kommen.
Landweitdenken: Gestaltungsprozess seit 2017
Im Frühjahr 2017 eröffnete ein Ideenpapier den Entscheidungsprozess. Von da an trafen wir uns in regelmässigen Abständen zu Visionssitzungen und ab März 2018 hatten wir unter dem Namen «Landweitdenken» eine Form gefunden, die den Gestaltungsprozess fortan prägte: Inputs von Fachpersonen und Gästen und ihr spezifischer Blick auf die Landschaft sollen von Anfang an ein wichtiger Teil des Prozessen sein. Wir Menschen von der Alten Bäckerei wollten eine Stimmendiversität in der Planung genauso haben, wie wir sie uns dann vom Lebensraum im Obstgarten erhoffen.
Unterschiedlichen Perspektiven
In diesem Sinne fand Ende Mai 2018 ein erstes Treffen mit Fachmenschen vom Gut Rheinau statt, gefolgt von zwei Gästen aus dem Bereich Agroforst und Käserei/Imkerei sowie zwei Stimmen mit dem Hintergrund der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) – auch aus einer theoretischen Perspektive. Die externen Personen bekamen jeweils im Vorfeld der Treffen Planunterlagen und Bestandesaufnahmen der Grünflächen, aufgrund deren sie sich ein erstes Bild machen konnten. Eine gemeinsame Begehung des Grundstückes eröffnete jeweils die Treffen und die anschliessenden anregenden Gespräche verliefen meist bis in den Abend, natürlich bei feinem Essen und Trinken.
Kern dieser Austauschtreffen war immerzu die Befragung der Möglichkeiten bezüglich der Ausgestaltung und Nutzung der Landwirtschaftsflächen.
Möglichkeiten noch und noch: Renaturierung, Landwirtschaft, ...
Wie anfangs erwähnt, schliesst die Wiesenfläche gegen Süden hin mit einem Gewässer. Bereits bei der Kaufbesichtigung der Liegenschaft war dieses einigen Involvierten aufgefallen – Renaturierungsfantasien umkreisten also seit Beginn der Gesewo-Ära die Alte Bäckerei. Um auch dieser Möglichkeit einen etwas solideren Boden zu geben, traten wir vom Hausverein in Kontakt mit Pro Natura und der lokalen Sektion von BirdLife Schweiz. Und auch hier fanden mit den jeweiligen Vertreter/innen Treffen vor Ort statt, welche uns ebenfalls eindrücklich vor Augen führten, welche Potentiale die zur Alten Bäckerei gehörenden Landwirtschaftsflächen haben.
Hausinterner Eingrenzungsprozess
Parallel zu diesen reichen und anreichernden Begegnungen im Hausverein verlief ein Prozess der Eingrenzung. Denn wir merkten sehr bald, dass von extensiver Weidenutzung bis zu einem Solawi-Projekt mit Gemüse-, Obst- und Beerenabo alles möglich war. Entscheidend war hierbei zu klären, welche Ressourcen seitens Hausverein zur Verfügung stehen würden und welche Projektideen mit welchen Vorstellungen von Wohnort zusammenpassen würden. Gleichzeitig war es uns wichtig, das entstehende Projekt auch für den Hausverein in Zukunft zu denken. Hierbei unterstützend war immer wieder die genossenschaftliche Perspektive auf die Alte Bäckerei.
Die Entscheidung
Irgendwann standen die Schwerpunkte, für welche wir vom Hausverein einen Konsens fanden: Der bestehende Hochstammobstgarten sollte erweitert und der angrenzende Bolsternbach allenfalls renaturiert werden.
Zudem sollen unterschiedliche Strukturelemente die gesamte Fläche bereichern und Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten. Das üppig gedüngte Wiesland soll extensiver genutzt werden. Auch soll es die Möglichkeit geben, auf einer Ackerfläche versuchsweise Getreide anzubauen. Der bestehende Gemüsegarten soll bei Bedarf vergrössert werden können.
Der Innovationsfonds hilft mit, die Vision zu verwirklichen
Nach zwei Jahren intensivem Prozess wussten wir vom Hausverein, dass unsere Idee, aus dem als Weidland genutzten verpachteten Teil ein wunderbares, diverses Oekotop zu schaffen, stimmig zur Wohnvision der Alten Bäckerei passt. Wir waren davon überzeugt, dass dieses Vorhaben auch zur Gesewo passen würde. Und so beschlossen wir, einen Antrag zuhanden des Innovationsfonds der Gesewo zu verfassen. Finanziert werde sollte die Beschaffung und der Schutz der Jungbäume sowie der professionellen Pflege- und Erziehungsschnitt in den ersten drei Jahren.
Die Freude war gross, als wir den positiven Bescheid des Vorstandes der Gesewo in den Händen hielten.
Nun wird verwirklicht!
Nun treffen wir uns in kleineren Arbeitsgruppen, diskutieren Sortenlisten, zeichnen erste Gestaltungspläne, suchen das Gespräch mit den Nachbarn, um ihnen von unserem Vorhaben zu erzählen und tätigen erste Vorabklärungen mit Baumschulen und Wildobstzüchter/innen.
Einbezug der Gesamt-Genossenschaft - ja, aber wie?
Die Zeit während der Aufbauphase des Obstgartens möchten wir dazu nutzen, um gemeinsam mit Menschen der Gesewo und weiteren Interessent/innen über mögliche zukünftige Entwicklungen nachzudenken. BirdLife und ProNatura werden einen solchen Flecken immer auch aus der Perspektive der Vernetzung ihrer Aktivitäten sehen.
Uns war es von Anfang an ein Anliegen, diesen Obstgarten in einem grösseren Zusammenhang zu denken: Welche Rolle könnte dieser Ort innerhalb der Gesewo spielen? Wie können wir das Obst unter die Genossenschafter/innen bringen? Wie könnten soziokulturelle oder naturpädagogische Angebote im Obstgarten aussehen? Wer ausser uns hat noch Freude an nachhaltiger und achtsamer und ökonomischer Bewirtschaftung? Wie können wir vor Ort den Austausch zwischen Spezialistinnen, Spezialisten, Genossenschafterinnen und Genossenschaftern fördern? Wer hätte Freude daran, im Herbst bei der Ernte mitzuhelfen, den Most zu pressen und die Maische anzusetzen?
Dies sind Fragen und Möglichkeiten, bei denen wir durchaus etwas verweilen können, während dem die Bäume wachsen. Es sind Möglichkeiten, von denen wir glauben, dass sie dem Miteinander und der Verbundenheit innerhalb der Wohnbaugenossenschaft Gesewo weitere konkrete Räume und Orte zur Verfügung stellen können.
Das Pflanzfest: Hilfst du mit?
Der nächste grosse Schritt wird ein Pflanzfest sein, bei dem wir zirka 20 Bäume und ebenso viele Sträucher pflanzen möchten. Sobald der Termin steht, werden wir es die Gesewo-Genossenschafter/innen wissen lassen [alle Infos hier, Anm. der Redaktion]. Mit Sicherheit können beim gemeinsamen Pflanzlochgraben oder beim anschliessenden Essen erste feine Fäden eine mögliche Zukunft des Obstgartens der Alten Bäckerei geknüpft werden.
Für den Hausverein der Alten Bäckerei: Tom Heinzer